Timm Kröger
geb. 29. 11. 1844 in Haale Kreis Rendsburg,
gest. 29. 3. 1918 in Kiel,
war Rechtsanwalt und verfaßte zahlreiche Novellen, die das
Bauern- und Landleben schildern.
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Bücher: Gesamtausgabe in 6 Bänden, erschienen bei Georg Westermann um 1916 (Abb. oben).
Jacob Bödewadt, Timm Kröger. Ein deutscher Dichter eigener Art (ein Führer durch Timm Krögers Leben und Schaffen). 217 S, ca. 1916. Bei Georg Westermann.
Jacob Bödewadt, Timm Kröger Gedenkbuch. Zum 75 Geburtstag des Dichters, ca. 1916. Bei Georg Westermann.
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„Humor ist die Gabe, allen Widerwärtigkeiten des Lebens die Zuverſicht entgegen zu ſetzen, daß unser Erdenwallen nur das Schattenſpiel eines andern hinter ihm stehenden beſſeren ist, daher eine tragiſche Auffaſſung nicht verdient.“ |
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Sein Lebenswerk beschäftigt sich mit dem Milieu und den täglichen Dingen der norddeutschen Bauern und anderer. Er schreibt auf hochdeutsch, wobei aber die Dialoge oft in Platt sind. Dabei wird die plattdeutsche Aussprache im Fraktursatz sogar durch eigene Zeichen hervorgehoben: æ und ę.
Seine Auffassung von Religion, Sittlichkeit und Eigeninitiative ist eine so bedeutende, daß er in jedem norddeutschen Städtchen durch Benennung einer Straße geehrt wurde.
Leseprobe aus ges. Werke Bd. 2 „Dem unbekannten Gott“, 2 Teil, Kap. 2, S. 258:
„Das ist ein Punkt, da kann ich mir nicht viel dabei denken. Der alte Doktor, scheint mir, auch nicht. ,Ich bin in die Welt gesetzt, sagt er, bin nicht danach gefragt worden, habe mich nicht selbst gemacht, so gut und so schlecht wie ich hin; ich will das Gute, soweit ein guter Wille in mich gepflanzt ist, ich tue es freilich nicht immer, aber doch so viel, wie ich kann. Das Böse will ich nicht, tu es aber, wie auch Paulus sagt, doch nicht selten. Mehr steht nicht in meiner Kraft, dafür bin ich ein Mensch. Mehr kann man von mir nicht verlangen. Was brauch ich da einen Erlöser? Was brauch ich da einen Mittler zwischen mir und Gott?’ sagt Doktor Rank. ,Ja, Christus, das war einer. Über seine Lehre, sagt der Doktor, ,über seine Sittlichkeit gehe nichts. Aber Sohn Gottes? Und Gott, der Allmächtige, muß seinen Sohn den Kreuzestod sterben lassen, um uns vergeben zu können? Da kann ich mir nichts bei denken’, sagt Doktor Rank.“
Ein Gedicht Timm Krögers:
Im Walde
O, dunkler Wald, du Sehnsucht
aller Meister,
Vom Weltenlärm, von seinen Kämpfen matt,
Du grün’ Geheimnis tiefgeahnter Geister,
Wie sehn’ ich mich nach deiner Ruhestatt!
O berge mich! — denn immer wilder, dreister
Bedränget mich der große Nimmersatt.
Schlag vor ihm klirrend deine Pforte zu,
Drei Gnomen stell’ als Schildwach’ meiner Ruh!
Dieses Gedicht stellte Walter Niemann seinem „Deutschen Waldidyll“ voran.
Nekrolog
von Dr. Werner Jantus
aus: „Blätter für Bücherfreunde“, Leipzig April
1919
Am 3. April 1918 haben wir ihn begraben. Er ruht
neben seiner ersten Frau auf dem schönen Friedhof zu Elmshorn.
Dem Sarge folgten außer den nächsten Angehörigen ein Dutzend
bejahrter Bauern seines Landes, sein alter und sein neuer
Verleger, und ich. Der pastor loci segnete ihn ein wie
seine wackeren Ackerbürger, aber der Himmel seiner Heimat tat
ein Übriges. Gewitterschloßen schlugen an die Kapellenfenster,
sie hielten inne, als der Sarg hinausschwankte. Und da er, unter
fernem Donner, in die Gruft gesenkt ward, brach die Sonne
plötzlich leuchtend herüber, flammte über den Friedhofsrand
ein langer, goldener Blitz.
Solange ich lebe, will ich diesen Gruß der Heimatssonne nicht
vergessen.
„Ich bin all mein Leben ein Pechvogel gewesen“, hat Kröger
1914 bekannt, als ihm der Krieg den 70. Geburtstag erstickte.
Dann hat er mit Geduld auf den 75. gehofft. Seine Werke fanden
endlich Käufer, er begann sich durchzusetzen. Alle Anzeichen
für einen sehr großen Erfolg waren da, Deutschland flocht an
seinem Kranze — da muß er dahin.
Und wird so beerdigt. Weiß denn kein Mensch im Reich, daß hier
der letzte der großen, der Letzte vom Schlage der Storm, Keller,
Meyer, Raabe Abschied nahm? Gibt es denn in unserer erleuchteten
Zeit noch Winkel, wo einer der immer seltener werdenden
Unsterblichen über das biblische Alter hinauskommen kann, ohne
„entdeckt“ zu werden? Wo bleibt denn unsere vielgerühmte
literarische Gerechtigkeit? Ist in den Herzen der deutschen
Bücherleser kein Raum mehr für solche Hochkunst?
Dies Geschlecht wird verwehen, und noch eins und noch eins. Er
hat jetzt noch mehr Geduld als in seinem langen Leben. Er ist
nach 100 Jahren noch so frisch wie heut, und das weiß niemand
besser als die, die seine Dichtung unvergänglich durchflutet,
die mit Ausgleich in der Gerechtigkeit den süßen Boten Gottes
an seinem Sarg sandte: die Sonne seiner Heimat.
Der Name Timm Kröger tönt nicht im wirren Lärm des Tages, ich
selber fand mich erst zu seinen Werken, als ich das Beste der
deutschen Dichtung zu kennen wähnte. Wie habe ich mich geschämt!
Für mich und für mein Volk, das seine Gunst jeder seichten,
kleinen Tagesgröße schenkt, das den größten Erzähler seiner
Zeit kaum beachtet sterben ließ. Wer ein offenes Herz hat und
die köstlich reine Luft Krögerscher Dichtung atmet, dem
erschließt sich eine neue Welt, der spürt an sich selbst eine
Wandlung zu einem höheren Sein. Wer die großen Meister des 19.
Jahrhunderts liebt, der greife getrost auch zu Timm Kröger: die
erlesene Süße und Reinheit, welche die Schöpfungen jener
auszeichnet, wird ihm aus den Werken dieses Mannes wieder
entgegenduften. Georg Westermann in Braunschweig hat das
Gesamtwerk Timm Krögers in sechs schönen, billigen Bänden
vereinigt. Die drei ersten enthalten kleinere Erzählungen,
durchsonnt von einem wundervollen Lächeln, durchtränkt von
einem lebenstapferen Ernst. In Band vier bis sechs stehen die
größeren Erzählungen Krögers, gekrönt von der Geschichte des
Daniel Dark, einer der besten und tiefsten Dichtungen überhaupt.
Seiner Welt scheint nicht groß, seine Menschen scheinen nicht
bedeutend; aber hohe Dichtung spannt über den kleinsten Winkel
den Himmel mit allen Sternen wie über die weite Erde, hohe
Dichtung macht den erbärmlichsten Krähwinkler zum Weltbürger.
Die holsteinische Scholle, auf der Krögers Gestalten wachsen,
dehnt sich unter seiner Kunst zur Unendlichkeit der ewigen Heimat
aller Seelen, seine Heimatskunst schafft aus dem engen Dorfe das
grenzenlose, letzte Vaterland der Geister, sein Herz strömt
über von jener Liebe, die von der höchsten, göttlichen
Gerechtigkeit geboren wird. Diese Gerechtigkeit gibt ihm den
Kranz, der ihm bis in sein hohes Alter von der großen Menge
versagt wurde; diese von einem tiefsten Verstehen verklärte
Güte, mit der er seine Sünder und Verirrten auf ihren dunklen
Pfaden begleitet und ihnen immer wieder den Weg in eine bessere
Welt offen läßt — diese Güte ist edelstes Menschentum.
Freund, Freundin — von dem ich spreche, war einer, der dir
seine besten Kräfte opferte, indem er sie deinem Volke gab. Nimm
ihn zur Hand und lerne ihn lieben, wie ich ihn liebe. Die Stunde
ist gekommen, da mehr als je alle guten Mächte in der Heimat
wirken müssen. Eines kann jeder tun: unbeirrt vom Zeitgeschrei
fort und fort eintreten für die großen Geister, die edlen
Herzen seines Vaterlandes.
Dipl.-Ing. Gerhard Helzel, Timm-Kröger-Weg 15, D-22335 Hamburg, Tel. 040-505374